Anfang dieser Woche wurde der Learning Report zu UpdateDeutschland mit ProjectTogether und der Bundesregierung präsentiert. Update Deutschland war ein sogenanntes Social Open Innovation Format, welches ich auch für die Zukunft spannend finde. Daher werde ich diese Woche nur ein Thema etwas ausführlicher behandeln.

Folgend eine Zusammenfassung des Learning Reports (Link) in Stichpunkten, garniert mit einem kleinen Brainstorming, wie ich mir solch ein Format dauerhaft in Städten wie Bremen umgesetzt vorstelle.

Der Learning Report wurde von Johanna Mair, Thomas Gegenhuber, René Lührsen und Laura Thäter von der Hertie School Berlin verfasst. Er folgt dem Report der Vorgängerveranstaltung im Geiste, WirVsVirus.

Beim Auftaktevent, der 48h-Sprint, haben sich 4.400 Teilnehmer:innen den gegebenen Herausforderungen gestellt. Von den Themen her waren Klimaschutz- und Bildungsprojekte am meisten gefragt.

Was ist genau Open Social Innovation (OSI)?

Dabei wird auf die „Beteiligung von Personen und Institutionen auf verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen bei Innovationsprozessen zur Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen [gesetzt]. (…)

Bürger:innen, organisierte Zivilgesellschaft, Unternehmen, Stiftungen und öffentliche Verwaltung [arbeiten] im Sinne eines „collective action“ Ansatzes entlang des gesamten Innovationsprozesses, von der Identifizierung der Herausforderungen, über die Generierung von Lösungsideen bis hin zur Skalierung von Lösungen zusammen.“

Es gibt 4 Prozessphasen

  • Mobilisieren: 37 % der Teilnehmenden kamen aus dem Verwaltungsbereich (63 Kommunen), insbesondere durch den Deutschen Städte- und Gemeindebund und Alexander Handschuh vom Innovators Club katalysiert; aus dem privaten Sektor stammten 30 %, der Hochschulbereich war mit 5 % vertreten und Bürger:innen waren zu 28 % am Start.
  • Bündeln: Die über viertausend Teilnehmenden versammelten sich auf der Kommunikationsplattform Slack, wobei größtenteils  Direktnachrichten ausgetauscht wurden und bei festen Teams die Kommunikation schnell auf andere Kanäle überging.
  • Kuratieren: 415 Lösungsansätze haben es auf die Plattorm DevPost geschafft. Für den nächsten Schritt des Umsetzungprogramms gab es keine Jury und auch Projekte, die nicht beim Sprint entstanden sind, durften teilnehmen. Durch ihr Wirkungs- und Umsetzungspotenzial konnten 330 Projekte weitermachen.
  • Skalieren: Als Unterstützung dienten Engagement Stipendien, Community Austausch, Verwaltungs-Check-In, Innovationsakademie, Ressourcenplattform, Pat:innen-Feedback, Stakeholder Calls und Innovators Talks (Erklärungen s. Dokument).

Regionale Ableger (UpdateBayern, UpdateNRW, UpdateHamburg, UpdateNiedersachsen und UpdateBaden-Württemberg) halfen insbesondere bei der lokale Vernetzung.

Was bringt’s?

Vier Wirkungspfade identifizierten die Wissenschaftlicher:innen:

  • Entstehung neuer sektorenübergreifender Initiativen, wie z.B. Lokalprojekte; Zugriff auf eine vielseitige Bandbreite an Menschen und aus Verwaltungssicht mehr Freiheiten, welche durch Ausschreibungen oftmals nur auf das Wirtschaftlichste beschränkt wird
  • Verstärkung bestehender Initiativen, wie z.B. Mitwirk-O-Mat,  bei dem die Anpassung auf andere Orte und Ebenen des ursprünglichen Lüneburger Projekts im Vordergrund stand
  • Bündnisbildung durch Initiativen zu einem besonderen Thema, wie UpdateAlter, FaktenAllianz, Inovationsverbund öffentliche Gesundheit oder GemEinsamkeit
  • Stärkung lokaler Ökosysteme, wobei insbesondere Hamburg genannt wurde, welches 500.000 € ohne Erwartungshaltung für Projekte in UpdateDeutschland freigegeben hat; als sich jedoch keine passenden Lösungen auf 16 Herausforderungen fanden, wurde ein Förderprogramm über UpdateDeutschland hinaus aufgestellt und die Kriterien gemeinsam mit Praxisakteuren wie den SEND e.V. und die Holistic Foundation entwickelt

Das Neue: Die Bedeutung der Verwaltungen wurde erkannt

Gegenüber anderen Formaten wurde bei UpdateDeutschland erstmals systematisch die Verwaltungen angesprochen und zur Beteiligung motiviert. Schließlich sind diese häufig der Flaschenhals bei der Diffusion (=Verbreitung) von neuen Ideen.

Der Nutzen von OSI für die Verwaltung ist vielfältig: Neue Perspektiven werden aufgezeigt, Schwachstellen in bestehenden Prozessen werden deutlich, neue Arbeitsweisen und offene Kultur kennengelernt und es findet eine stärke Vernetzung untereinander statt. Am Ende ist es aber auch eine Signalwirkung für die Innovationsoffenheit von Verwaltungen.

Barrieren waren insbesondere die knappe Ressourcenverfügbarkeit, da Budgets langfristiger verplant sind. Auch die Unsicherheit über den eigenen Handlungsspielraum bei Vergaberichtlinien, die nicht auf ergebnisoffenen Prozess ausgelegt ist, zerrte an den Nerven.

Auf der Umsetzungsseite musste zur digitalen Nutzung von Tools wegen des Datenschutzes oftmals auf Privatrechner gesetzt werden. Auch die Vorbereitung gestaltete sich wohl als nicht planbar, die Unterschätzung des Aufwands war die Folge. Kritischer Faktor ist schließlich die interne Unterstützung der oder des Vorgesetzten.

Zwischenfazit

Die Wissenschaftler:innen des Learning Reports hoben in einem Fazit hervor, insbesondere das breite Verständnis der Wirkung zu sehen und nicht allein die Anzahl umgesetzter Projekte. Aspekte wie die Aktualisierung von Förderrichtlinien oder die Aufweichung von territorialen Förderprinzipien können Konsequenzen sein, die durch UpdateDeutschland oder ähnlichen Formaten ausgehen.

Mir persönlich haben noch ein paar harte Fakten gefehlt: Wie viele Projekte bestehen aktuell noch? Wie viel haben die einzelnen Prozessphasen gekostet? Wie hoch waren die Engagement Stipendien? Die klare Nennung der Wirkungspfade, aber auch die Perspektive der Verwaltung und das Abwägen bei Designentscheidungen für die Durchführung (s. Dokument) machen das Durchlesen aber empfehlenswert.

Manchmal denke ich, dass Open Social Innovation nur eine konsequente Form der Bürgerbeteiligung ist. Doch wo häufig das Zuhören und Partizipieren die Endhaltestelle ist, geht es bei diesen modernen Prozessen um die Unterstützung bis zur Umsetzung eigener Projekte.

Insbesondere die Integrierung aller Akteurswelten – Zivilgesellschaft, Unternehmen, Stiftungen, Sozialunternehmen, Verwaltung, Politik und Wissenschaft – ist vorbildlich. Wie Teile eines DNA-Strangs braucht es die verschiedenen Perspektiven, um soziale Inventionen in die Gesellschaft zu bringen und irgendwann als Innovationen durchzusetzen (mehr unter dem Stichwort Penta Helix).

Lokale Umsetzung

Ich plädiere diese Formate als dauerhaftes Instrument für Städte auszuprobieren, um gemeinsam ergänzend zur Politik gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen. Wie sähe – anhand von meinem Wohnort Bremen – so eine Adaptierung aus?

Von einem Hackathon (= aus der IT-Szene stammende Veranstaltung, bei der in wenigen Tage Programmierlösungen entwickelt werden) würde ich auf ein Hack-A-Year umsteigen. Eine barrierearme Webseite gibt Auskunft, welche Behörden, Unternehmen oder andere Anstifter:innen aktuell daran interessiert sind, einen kleinen Prozess für Lösungsansätze einer gesellschaftlichen Herausforderung zu finanzieren.

Die öffentliche Hand matcht die erforderliche Summe, schließlich steht sie auch bei technologischen Innovationen oftmals als Risikonehmerin bereit.

Nachfrageorientierung sorgt für Effizienz

Nutzer:innen können sich registrieren und sobald eine kritische Masse zusammenkommt, adaptiert eine öffentliche oder private Innovationsagentur den Unterstützungsprozess von UpdateDeutschland als passgenaueren Miniprozess (Mentor:innen, Feedbackgruppen, Netzwerkaustausch durch Hilfswerft und Social Impact Lab, Wissensvermittlung durch Gründungsagenturen wie das Starthaus, Räume durch das Creative Hub Bremen).

So kommt Angebot und Nachfrage zusammen, außerdem wird durch die Nachfrageorientierung sichergestellt, dass genügend Beteiligte mitmachen.

Hochschulen als Brutstätten der Sozialen Innovation

Insbesondere bei der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses sehe ich starkes Potenzial, dies als interdisziplinäre Praxisorientierung  zu nutzen. Der 5 % Anteil bei UpdateDeutschland ist zu wenig.

Spannend wird es dann auch, wenn Bremen und Bremerhaven zusammengedacht wird und sich Studierende über die Stadtgrenzen hinweg kennenlernen.

Von der Idee zum Prototyp zur Weltherrschaft

Durch Schnittstellen haben die verschiedenen Teams Zugriff auf das gesammelte Wissen und Kontakte von vorherigen Missionen in derselben Stadt oder aus anderen Ecken Deutschlands.

Eine Jury aus Expert:innen und gewählten Bürger:innen entscheiden über Finanzierungen aus einem Sozialen Innovationstopf, die zu einem ersten Basisprodukt (= Minimum Valuable Product) führen.

Dabei kann auch an Stipendien gedacht werden, welche es ermöglichen, dass Teammitglieder andere Lohnarbeiten reduzieren können. Entwickelte Ideen werden schließlich wieder bei bundesweiten Prozessen a la UpdateDeutschland eingebracht, um schnellstmöglich skaliert zu werden, schließlich haben sie im besten Fall schon erste Proof of Concepts (=Belege, dass ihre Idee auch funktioniert) vorzuweisen.

Wer traut sich?

Je nachdem, welche Senatsstelle sich als Innovationspionier herauskristallisiert, könnte man es einfach mal an einem drängenden Feld (Bildung, Sicherheit am Bahnhof, soziale Mobilität, Armut, Klima und Verkehr…) ausprobieren.

Auch vorhandene Wettbewerbe wie „Bremer Sozialunternehmen des Jahres“ oder die Pop-Up-Store-Ausschreibungen der Wirtschaftsförderung könnte man dabei mitdenken. Vielleicht ist der oben erwähnte Anbieter Lokalprojekte auch schon eine geeignete Plattform dafür. Ich fände es jedenfalls spannend, mehr Open Social Innovation zu wagen und wäre dabei…

Pressemitteilung und Videolink zur Vorstellungsaufzeichnung: https://www.hertie-school.org/de/beitrag/content/mehr-als-ein-hackathon-open-social-innovation

Wochenrückblick 05/2022

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