Die Agentur Edelman Digital hat einen neuen Trendreport herausgebracht. Neben allerhand Marketing-Sprech ist auch ein Artikelthema aufgefallen, das schon 2016 für Furore sorgte: die Blockchain.
Was ist die Blockchain? Nun, ich würde es vereinfacht erklären als eine Art dezentrales Cloud-Dokument, welches genutzt wird, um aufeinanderfolgende Transaktionen transparent und anscheinend unlöschbar zu sichern (etwas ausführlicher erklärt).
Nicht nur für die Finanzwelt nützlich
Vor allem im Bereich der Onlinewährungen und hier ist insbesondere die Bitcoin zu nennen, ist die Blockchain im Hintergrund im Einsatz. Während ich außer ein paar bunten Erklärgrafiken und den Berichten über die mögliche Disruption der Finanzwelt noch nicht viel von der Blockchain tatsächlich gesehen habe, machte mich der Trend Report noch auf ein weiteres Aufgabengebiet aufmerksam. Sowohl transparentere Lieferketten als auch ein höheres Austauschniveau mit öffentlichen Unternehmensrepräsentanzen könnten möglich sein (S.48f).
Für ersteres Beispiel erwähnte die Studie Provenance. Ein Fischproduzent nutzt diesen Dienst und das damit verbundene Blockchain-Prinzip, um Fischer, Händler und Konsumenten zeigen zu können, wie die Arbeitsbedingungen entlang der Kette ist. Auch illegaler Fischfang könnte dadurch bekämpft werden. Hinter der Initiative steckt ein Open Data Projekt der Designerin und Technikexpertin Jessi Baker. Die Grundidee besteht darin, Produkten eine zertifizierte Identität zu verschaffen, deren beinhaltete Informationen sowohl Unternehmen als auch Kunden vertrauen können. Dafür soll man dann nicht Mitglied von etwas sein müssen, die Information ist frei verfügbar.
Laut einem Guardian-Artikel senden Fischer die Nachricht über ihren Fang per SMS an die Blockchain, was an die nächste Stelle weitergeben wird, welche wieder Informationen anhängt. Dies ist notwendig, denn die lückenlose Dokumentation wird von immer mehr großen Nahrungsmittelproduzenten erwartet. Bisherige Lösungen scheinen zu anfällig für Manipulationen zu sein. Aufkommende Kosten der Probephase lassen die Vorgehensweise erst einmal nur für Premiumprodukte passend erscheinen.
Im Bereich Anti-Trolling hat die Organisation openreputation ein Szenario erdacht, in dem Websites den Kommentatoren eine eindeutige Identität zuweisen können. Diese wird verbunden mit einer Reputationsbewertung, welche ich mir ähnlich wie ebays Lösung vorstelle. Nur Nutzer mit einer bestimmten Bewertung können dann weiter mit dem Unternehmen agieren, was die Beitragsqualität steigert.
Auch die UN erkennt das Potenzial
Angestachelt von dem Gedanken, wie man die Blockchain noch im nachhaltigen Sinne einsetzen kann, begab ich mich auf Internetrecherche. Die UN hat auf jeden Fall schon auch einmal darüber nachgedacht. Erste Treffen im Oktober 2016 setzten sich damit auseinander, inwiefern die Technologie das 16. Sustainability Development Goal unterstützen könnte. Darin geht es um Themen wie Inklusion, eine transparente Regierungsform und einem gerechten Justizsystem. Meist geht es um das Transparenzmachen von Geldflüssen. Aber auch das Thema Kinderarmut könnte angegangen werden. Über 200 Millionen Kinder unter fünf Jahren bekommen laut UNICEF keine Geburtsregistrierung. Dies macht sie anfällig für Ausbeutung und Sklaverei. Eine Blockchain als Alternative könnte hier einspringen. Das Startup 9needs wurde hierfür vom UN Innovation Fund unterstützt und beginnt ein entsprechendes Programm auszufahren.
Auch die Auswirkungen des Wirtschaftens auf die Biodiversität könnte sichtbarer und eindeutiger werden. Dezentrale Sammelstellen könnten Messfehler aufzeigen und unterschiedliche Herangehensweise vereinheitlichen.
Einsatzgebiete für Unternehmen
Die Unternehmenswelt ist schon einmal von der Blockchain angetan, vor allem in den Bereichen, wo darauf Wert gelegt wird „any asset in very transparent and reliable way“ zu bewegen, so der CTO von General Electronics. IBM und Walmart schlossen sich in China zusammen, um die Schweine-Produktion besser nachvollziehen zu können.
Im Bereich der Energiewirtschaft hilft die Fähigkeit der Blockchain, individuelle Werte per Transferströmen einfach und kostengünstig zu verteilen. So können Nachbarn unter einander ihre produzierte Solarenergie verkaufen, wie es in einer Nachbarschaft in Brooklyn erprobt wird. In „smart contracts“ kann die Verteilung genau definiert werden, so zum Beispiel 30 % für die höchsten Bieter, 30 % an grüne Unternehmen und 30 % an bedürftige Familien. Das kann mit der Nachbarschaft passieren, aber auch mit einem Land oder innerhalb eines Kontinents. Selbst eigene Währungen wie die Solarcoin sind vorstellbar.
Im Allgemeinen kann man also die Blockchain in Zukunft wahrscheinlich dort einsetzen, wo ein Wert kleinteilig und sehr spezifisch verteilt werden soll oder man gewissen Aussagen nicht vertraut.
Nehmen wir den offensichtlichen finanziellen Einsatzsektor einmal beiseite, bleibt der soziale und ökologische Bereich. Sharing-Plattformen könnten weniger manipulierbar werden, wenn die geteilten Produkte mit einem Code versehen sind, welche deren Nutzer und deren Umgang mit anderen Produkten beinhaltet. Die höhere Nachvollziehbarkeit von Zertifikaten, welche z.B. durch FSC– und RSPO-Vorfälle gefordert wird, ist eine weitere Möglichkeit. Dies gilt auch in der Textil- oder Nahrungsmittelindustrie. NGOs könnten sehen, welche Zulieferer beteiligt waren. Hier besteht natürlich dann irgendwann der Konflikt zwischen dem Wunsch nach Transparenz und dem Betriebsgeheimnis. Ein Reisebericht des Elektromülls oder Aussagen über Gebrauchtgegenstände sind weitere Einsatzgebiete. Beim Energiesparen könnten besonders fleißige Vermeider belohnt werden.
Potenzial für Entwickler
Ich gebe zu, dass ich dank der Neue des Themas noch nicht ganz sicher bin, ob diese Beispiele tatsächlich Blockchain-Anwendungsgebiete sind und sie im Vergleich mit den alten Methoden Vorteile bringen. Ich bin mir aber relativ sicher, dass das Gebiet für kreative Entwickler auf jeden Fall noch eine nicht ausgeschöpfte Fundgrube beherbergt. Und digitale Innovation sind ja bei Finanzierungsrunden dank ihrer Skalierbarkeit besonders gefragt.
Doch was bedeutet das erst einmal für Unternehmen? Edelman schlägt vor, dass sich die Unternehmen mit ihren Stakeholdern über die Möglichkeiten der Blockchain Gedanken machen sollen. Gleichzeitig warnen sie jedoch, dass sie nicht auf magische Weise eine absolute Wahrheit produziert, genauso wenig wie ein Blog für sofortige Transparenz steht. Eingepflegte Informationen müssen auch richtig sein, dafür Bedarf es den Willen zur Kooperation und zur Öffnung, so der Kommentar. Dafür braucht es vor allem ein Auseinandersetzen mit der Technologie und den Versuch, mehr Menschen damit in Kontakt kommen zu lassen. So können sie von sich aus überlegen, ob ein Nutzen für sie und ihre Organisation besteht.
UPDATE: Im transform Magazin ist im April 2017 noch ein spannender Artikel zum Thema erschienen.
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